Erfahrungsbericht Das E-Lastenrad ist das Arschgeweih des Alnatura-Adels

Stand: 24.08.2021 08:30 Uhr | Lesedauer: 2 Minuten

Von Marcel Leubecher
Politikredakteur

Die Dinger sind ganz praktisch. Ökologisch wird mit ihnen aber nur etwas bezweckt, wenn das Auto ausrangiert wird. Für wohlsituierte Großstadtfamilien ist das Lastenrad eher ethisches Statussymbol. Bekenntnisse eines Familienvaters, dem bereits ein Lastenrad gefördert wurde. Marcel Leubecher kutschiert seit einem Jahr seine Kinder mit einem Lastenrad zu Tagesmüttern, Spielplätzen und Supermärkten
Quelle: Getty Images/Thomas Tolstrup, Claudius Pflug

Wie singt die Kirmestechno-Band Deichkind in einem ihrer Lieder? "Schlecht für die Umwelt, aber leider geil!" Ein bisschen trifft die Zeile auf die schon heute kräftig subventionierten E-Lastenräder zu. Die Grünen wollen die Aufrüstung der Lastenrad-Flotte sogar mit einer Milliarde Euro Steuergeld bezuschussen. Der Autor dieses Kommentars kutscht seit einem Jahr seine Kinder mit einem solchen Eisenschwein der Marke Babboe zu den Tagesmüttern, Spielplätzen und Supermärkten im Zentrum Frankfurts.

Außer natürlich, wenn es regnet oder die Zeit drängt oder aus ganz banaler Bocklosigkeit. Dann muss der gute alte Daimler ran, der natürlich nicht abgeschafft wurde - nur weil jetzt die Möglichkeit besteht, mit einem schwerfälligen Elektrodreirad einige Kurzstrecken zurückzulegen.

Und genau das ist das Problem an den Dingern: Ökologisch ist mit ihnen nur etwas erreicht, wenn mit der Anschaffung des E-Lastenrads das Auto ausrangiert wird, was nach nicht repräsentativer, aber eingehender Beobachtung der Lastenrad-Szene in Frankfurt-City kaum vorkommt. Die meisten Leute nutzen es additiv - zum Automobil und den Fahrrädern kommt jetzt der Elektro-Esel on top.

Die dritte Fraktion des E-Lastenrad-Milieus besteht aus Leuten, die seit jeher automobillos leben und ihre Kurzstrecken per normalem Fahrrad oder muskelbetriebenem Lastenrad zurücklegten - jetzt aber auf die E-Wuchtbrumme umstiegen. Leider hinterlassen auch sie nun einen größeren CO2-Fußabdruck auf Gottes schöner Erde als mit ihrem bisherigen Mobilitäts-Lifestyle.

Trotz dieser oft negativen Umweltbilanz entwickeln sich die Stromkolosse gerade zum ethischen Statussymbol unter wohlsituierten Großstadtfamilien, zu einer Art Arschgeweih des Alnatura-Adels. Keine Frage: Die Elektrovehikel sind für Innenstadtbewohner ein schöner Luxusartikel, die Kinder finden es lustig, man ist auf sehr kurzen Strecken schneller als mit dem Auto und man erntet viel anerkennendes Lächeln von jungen, Klimasensiblen Damen, wenn man mit dem Ding an der Bio-Company vorbeidonnert.

Noch schöner ist, aus rein egoistischer Perspektive, dass mir die schwarz-grüne Regierung in Hessen 1000 Euro geschenkt hat, als wir auf Wunsch meiner Frau das fast 3000 Euro teure Babboe-Ungetüm gekauft haben. Doof nur für meine Mitbürger, die das mit ihrem Steuergeld bezahlen mussten.


Quelle: welt.de vom 24.08.2021